3. Spurensuche
Mai 2013

„Sehr geehrte Anlieger, leider konnte die Baustelle doch noch nicht ganz fertig gestellt werden“, was heißen sollte: „wir brauchen halt gschwind noch etwas mehr Zeit.“ Eine solche oder so ähnliche Erklärung fanden die Anlieger der Wintergasse vor kurzem in ihren Briefkästen. Es handelte sich hierbei um die Kanalarbeiten für den Bau des neuen Parkhauses. Also um eine Baustelle zur Vorbereitung der Baustelle. Was lange währt, wird endlich gut und daher dauern die Planung und Ausführung mancher Bauwerke eben etwas länger, manchmal sogar etwas länger als deren anschließende Nutzung. Wir bauen schließlich nicht mehr für die Ewigkeit - oft nicht mal mehr für die Gegenwart. Aber warum auch? - ist nicht der Weg das Ziel? Doch sicher, aber er muss ja nicht allzu lange halten, denn morgen ist Gestern nichts mehr wert – es ist dann schlichtweg nicht mehr kompatibel. Also, ein Update muss dringend her. Am besten gleich ein automatisches. Das lädt sich dann regelmäßig ganz von selbst runter und installiert sich ganz unauffällig auch von ganz alleine. So müssen wir uns auch keine Gedanken mehr darüber machen und können auch nichts dafür –aber stets den letzten Schrei und das neuste System.
Neuste Systeme laufen aber erfahrungsgemäß nicht immer sehr stabil und so gibt es Konsumenten, die eben eine Runde warten, bevor sie etwas Neues anschaffen - so genannte Jahreswagenkäufer: man hinkt seiner Zeit etwas hinterher, fährt dafür aber sicherer. Eine durchaus vernünftige und sparsame Entscheidung. Manche Zeitgenossen warten auch ein paar Runden mehr, was unterm Strich aber nicht immer zu einer höheren Ersparnis führt und auch nicht zwingend bedeutet, dass mit zunehmendem Alter des Gefährts auch dessen Fahrsicherheit steigt. Nein, nur unser Ökologischer Fußabdruck wird größer. So heißt es zumindest in der Begründung zur Einführung der so genannten Umweltzonen.
Aber soll das denn dann alles sein, was wir hinterlassen werden? Einen grünen Fußabdruck im Ökosystem der Erde? Grüne Fußabdrücke hat Horb nämlich bereits sehr viele. Sie führen alle irgendwie in die Stadt hinein, aber keiner wieder raus. Eine gewiefte Marktstrategie oder eher die Sackgasse ohne Wendemöglichkeit? Vor einigen Tagen versuchte ich den Spuren zu folgen: vom Bahnhof aus Richtung Altstadt links-rechts-links-rechts zielgerichtete breitbeinige Schritte über den Neckar. Muss ein stolzer Ritter gewesen sein, der diese Fußstapfen hier hinterließ. Aber dann, ja dann stellte ich fest, dass es mindestens zwei gewesen sein mussten, die sich womöglich huckepack hier abmühten. Denn kurz vor der Schillerstraße erscheint überraschend eine weitere Barfußspur, als wäre dem Ritter ein Narr von der Schulter gehüpft und hätte dort eiligst das Weite gesucht. Seine Beine trugen ihn sichtbar nach links, zögerten am Schaukasten des Schwarzwälder Boten ein wenig und liefen dann Richtung Wasserkraftwerk davon. Ich entschied mich jedoch für den standfesten Edelmann und folgte seinen Spuren nach rechts entlang der Straße bis zum Schaukasten der Südwestpresse. Sein Sinn fürs Gleichgewicht beeindruckte mich. Den etwas wankenden Fußabdrücken zu Folge, hatte der Recke auf diesem Weg erneut einen Gefährten auf dem Buckel. Aber tapfer weiter ging es dennoch bis zu den beiden Apotheken und dann nach links Richtung Bäckerei. Und dann, ja dann stand er wohl plötzlich da, mein wackerer Held und wusste nicht mehr weiter. Wie angewurzelt muss er da gestanden haben, alle Ziele vergessen und nur das nahe liegendste in Sicht: das Eiscafé. Ich kombinierte: es war wohl mal wieder richtig Sommer, als diese grüne Fährte durch die Stadt gelegt wurde. Ich ließ also Ritter Ritter sein und ihn und seine Spur dort vorerst ruhen, denn jeglicher Gedanke an Speiseeis war auch schon vor Tagen einfach zu kalt für diese Jahreszeit. Auf meinem Heimweg zum Künstlerhaus die Sommerhalde erklimmend fand ich aber die grünen Fußabdrücke des Narren wieder und so trat ich diesmal in seine Spuren – fast wie ein Catwalk über die Marktsteige, wären da nicht die Steigung und das knöchelbrecherische Pflaster. Wohin ging es? Keine Frage: zu unserer Perle, dem Marktplatz. Aber dort angekommen löste sich die Spur plötzlich im Nichts wieder auf, und man musste ein geschickter Detektiv sein, um die grünen Fußsohlen vor dem Rathaus auf der anderen Seite erneut zu erblicken. Verwirrenderweise kam diese Spur mir aber entgegen, und wenn ich ihr folgen wollte, so musste ich rückwärts gehen. Närrisch, aber ich tat’s. Und auf diese Art stand ich auch der Fährte des Ritters wieder, der sich nach einigen Cappuccinos wohl doch noch aufgerafft und vermutlich über die Hirschgasse den Marktplatz angesteuert haben muss – man entkommt seinem Schicksal nicht. Weil einst gute Pfadfinderin, entdeckte ich den weiteren Weg der beiden, nun wieder Vereinten Richtung Stiftskirche, am Kloster vorbei links abbiegend zum – Finanzamt? Nein, aber zur kleinen Tür direkt nebenan: grün wie die Füße, aber abgeschlossen. Verbirgt sich dahinter etwa der geheimnisvolle Schatz? Ich hab’s noch nicht rausgefunden oder hatte die falsche Plakette. Wer’s weiß, gebe mir bitte bescheid.
Genau ein Jahr ist mittlerweile vergangen, seitdem wir drei Künstler in die Wintergasse 1 gezogen und aus unserer Sicht auf so manches Mysterium hier gestoßen sind. Diese Monate gehen nicht spurlos an uns vorbei. Und für Peter Hintz ist ein Werk vollbracht – er zog vor einigen Tagen bei uns wieder aus und beschert uns nun ein notwendiges Update: einen neuen Kollegen oder Kollegin.
Text: Monika Golla 26.5.2013 ©

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