Dass auf horber Straßen zunehmend auch Männer in Frauenkleidern zu sehen sind, liegt nicht etwa an plötzlichen öffentlichen Solidaritätsbekundungen zur Homo-Ehe oder der sofortigen Umsetzung der Trends der neusten Fashion-Week. Nein, die Sache ist närrischen Ursprungs: Es ist Fastnet - vor Narrentreiben wird gewarnt.
Es fängt eigentlich ganz gemütlich am 6. Januar an: Alle Weihnachtssterne und Lichterketten werden abgenommen und rot-weißen Fähnchen und Girlanden an ihrer Stelle montiert. Der große Weihnachtsbaum wird umgesägt und hastenichtgesehn dort der Narrenbaum hingestellt. Die ganze Stadt augenblicklich im Fleckenkleid und Krapfen beim Bäcker - die alljährliche Metamorphose gelingt reibungslos. Am Dreikönigstag also beginnt hier die Fastnet und zwar mit dem sogenannten "Abstauben". Hier wird nichts geklaut, sondern die Masken der Narrenzünfte werden in einer feierlichen Zeremonie wieder aus einer Kiste, dem "Kratten", befreit, in die sie im vergangenen Jahr am Abend vor Aschermittwoch eingesperrt wurden. Dem Narrenrat obliegt diese Aufgabe. Der Hofmarschall gibt Befehl. Für jede, der hier sieben Hästrägergruppen wird eine Maske aus dem Kratten hervorgeholt, mit einem Wedel abgestaubt und der Lebensgeist wieder eingehaucht. Dieser Geist ist übrigens hochprozentig und entströmt dem Zunftmeister samt gereimter Zauberformel. Vertreter der Narrengruppen sind bereits um dieses Geschehen versammelt. Sie tragen schon ihre Häs, also das passende Kostüm, aber keine Masken. Die Figuren sind also unvollständig, bzw. noch sind es lediglich merkwürdig angezogene Menschen. Wird aber eine Maske abgestaubt und dem Haupthästräger der jeweiligen Gruppe, also z.B. der Horber Hexen, übergeben, stülpen alle zu dieser Gruppe zugehörigen Mitglieder ihre Masken ebenfalls an und verwandeln sich damit unverzüglich in eigenartige Narrenwesen, an die man sich in den nächsten Wochen gewöhnen muss. Dann wird noch wild getanzt und mit Ketten und Schellen geschüttelt, dass der Marktplatz wummert - ich liebe dieses Geräusch. Dieses Schellenrascheln ist von da an zunehmend in allen Gassen zu hören. Und noch ein Sound, den man bis Aschermittwoch nun aushalten muss: den Horber Narrenmarsch - und überhaupt die Guggenmusik: schaurig-schön!
Wir haben hier ausser den Hexen, noch die rot-weißen Stäpfeleshopser (heißt "Treppen-hüpfer", wer Horb kennt, weiß genau, was damit gemeint ist), die Schantle im Plätzleshäs, Schellengurt und getrockneten Schweineblasen (Saublade) am Stecken. Dann sind da noch die Stoibrecher (Steinbrecher), die "Wilden Männer", die an ehemalige Sträflinge erinnern. Sie sehen aus wie liebe Bären im Fellanzug mit Wildschweinhauern und Fuchsschwanzohren. Sie haben den schönsten Schellenklang, wie ich finde. “Wilde Kerle“ sind auch die horber Turmschurken mit wallenden Hemden, Ledergamaschen und über kreuz getragenen massiven Eisenketten. Sie stellen die Bösewichte dar, welche im Mittelalter im Horber Schurkenturm einsitzen mussten. Zum Auftritt der Schurken gehört auch ein fahrbarer Pranger, in welchen bei den Umzügen bevorzugt junge Frauen und örtliche Prominenz (die Schurken betonen sehr genau diese Reihenfolge) manch denkwürdige Minute verbringen dürfen. Eine der schönsten Gruppen bilden die Wasserspeier. Ich habe sie diesmal vermisst, schade, aber kein Wunder, denn bedauerlicherweise „ruht“ diese Gruppe in diesem Jahr. Diese Gruppe ist den Masken des Horber Marktplatzbrunnens nachempfunden. Die Häs sind aus vielen wasserblaufarbenen Flecken genäht und die Masken mit Wasserleitungen versorgt, durch welche die Hästräger ihr Gegenüber unerwartet mit Wasser bespritzen können. Und dann bleiben also noch die Horber Kropfer, eine der heterogensten Narrengruppen mit vielen verschiedenen Figuren. Einen Kropf hatten früher viele in der Gegend und wurden deswegen gehänselt, daher der Name. Die Gruppe stellt den Hochzeitszug nach, der auf der Wandmalerei des Horber Rathauses zu sehen ist. Ein schwarz angezogenes Hochzeitspaar mit Schirmchen, Hochzeitsgäste groß und klein und einige Horber Originalen. Mit dazu gehören noch zwei Stadtschantle, Weißnarren, sowie die Bremer Stadtmusikanten (!): Esel, Hund, Katze und Hahn - weiß der Kuckuck warum. Und heute zusätzlich kann man noch die Horber Tuchmacher hier sehen. Aber nur hier, denn diese Gruppe gehört nicht zur Horber Narrenzunft, sondern zum Kultur- und Museumsverein und ist einer historischen Abbildung des Horber Handelsherren und Bürgermeisters Johannes Geßler nachempfunden. Alle Masken sind gleich, egal ob groß oder klein - irre! Alle Narrengruppen, die sich bilden, müssen historischen Hintergrund nachweisen, das hat hier seine Vorschrift. Zur Altweiberfastnacht, was hier der "Schmotzige Donnerstag" ist, stürmen die Narren die Rathäuser und reißen die Schlüssel an sich, um die Macht in der Stadt zu übernehmen. Der Oberbürgermeister ziert sich dabei immer nur ein bisschen und verteidigt seinen Stuhl nur halbherzig. Wer will es ihm verdenken: Selbst zu den Horber Hexen gehörig, kann er die dollen letzten Tage und Nächte selbst kaum abwarten, wichtige Amtsgeschäfte stehen da im Weg. Als Schüler mussten wir den Montag und/oder Dienstag noch schwänzen, um durchfeiern zu können oder zum Umzug nach Mainz zu kommen. Hier werden die Schulen aber einfach von den Narren gestürmt und die Schüler bis Mittwoch befreit. Das ist mal ein Wort! - sollte Schule machen in Hessen...."Schmutzig" heißt dieser Tag übrigens, weil dann seit jeher sog. Rußhexen in der Gegend unterwegs sind und jeden, den sie auf der Straße kriegen, mit Ruß vollschmieren. Es ist daher ratsam, muss man dringend aus dem Haus, schwarze oder bereits schmutzige Kleidung zu tragen. An dem Abend wird auch auf den Straßen und allen Kneipen der Stadt gefeiert bis zum Umkippen. Bevor der Spuk am Mittwoch dann vorbei ist, gibt es noch eine Narrenmesse (also in vollem Kostüm in die Kirche) und natürlich den großen Umzug. Die Gastgebernarren gehen immer als erste, die Gästegruppen aus der ganzen Region folgen - ein Fest für Augen und Ohren! Angeführt wird der Umzug aber stets vom närrischen Nachwuchs, also Kindergruppen. Das sind die sog. "Narrensamen" und heissen z.B. "Horber Konfetti" u.ä. Es folgen die oben vorgestellten Gruppen und das sich stets neckende Grafenpaar (immer Graf Rudolf von Hohenberg und Gräfin Ita von Toggenburg darstellend). Mittendrin und immer vorn dabei auch der Narrenrat (nicht unbedingt elf) mit Hofmarschall und Zunftmeister im Wagen, ja auch Bonbons werfend, aber sparsam... Es folgt eine Menge Hexen und Hexer, Schurken und Schantle. Manche binden Mädels die Schuhe zusammen oder verfilzen ihr Haar. Immer wieder gerne werden hübsche Weiber eingefangen und in Hexenmühlen oder Kerker gesteckt, mit Netzen umgarnt oder auf Rädern geschleudert, Ruß oder Farbe im Gesicht verschmiert. Furchteinflößende Gestalten erschrecken die Kinder und räuchern das Volk teils mit üblem Gestank ein.
Keine fürchterlichste Hexe aber vermochte mich diesmal so zu schrecken wie die "Horber Kosaken" der Altherren des FC Horb: ;-))
darauf ein Narri-Narro uuuuuuund Horrido!!!
(ist das Horber "Helau!") Allen Karnevals- und Fasnetsumzügen in der Republik gleich ist aber immer der letzte Wagen –so auch hier….. Dienstag Abend müssen die Masken wieder in den Jahresschlaf versinken und die Fasnet wird auf dem Marktplatz „verbrannt“ – eine Strohpuppe, deren Niedergang viele Narren zu Tränen rührt. Und dann ist Schluss mit lustig!
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